Bertolt Brecht

BUCKOWER ELEGIEN (1953)

Persönliche Vorbemerkung:

Unvorsichtigerweise habe ich mich daran gemacht, Brechts kompletten Zyklus der „Buckower Elegien“ einzusprechen, nachdem ich „Die Lösung“ und „Der Radwechsel“ bereits 2011 in meine Sammlung aufgenommen hatte.

Unvorsichtigerweise, weil ich mir damit einen Rattenschwanz von unvorhergesehenen (wenn auch nicht unvorhersehbaren!) Problemen aufgehalst habe. Brechts Ruhm als Lyriker ist keineswegs verblasst, derjenige als Dramatiker schon – nicht zu Unrecht, wie mir scheint. Es gibt namhafte Literaturkritiker, Philosophen, Dichterkollegen, die Brechts „ein-sichtige“ Betrachtung der Weltgeschichte massiv kritisiert haben (u.a. Karasek, Adorno, Frisch, Dürrenmatt), die jedoch keineswegs an Brechts überragendem poetischen Rang zweifelten.

Ohne mich mit den Federn prominenter Literaturkritiker schmücken zu wollen, erinnern mich die jahrzehntealten Texte, die ich während der begleitenden Recherche zu diesem Zyklus wieder gelesen habe, an die heftigen literarisch-politischen Auseinandersetzungen der Brechtrezeption der jungen Bundesrepublik, die ja mit meiner eigenen Jugend zusammenfiel. Von diesen teilweise erbitterten Fehden innerhalb der westdeutschen Linken blieb meine eigene politische Positionierung nicht unberührt. Von allem Anfang an erfüllte mich tiefe Skepsis gegenüber einem linken orthodoxen Dogmatismus, der um des ausgerufenen großen Ziels der Befreiung der Menschheit willen – „Völker, hört die Signale!“ – geflissentlich über krasse politische und moralische Widersprüche, d.h. Verbrechen hinwegsah, die ja bereits damals für jeden sichtbar offen zu Tage gelegen hatten. Diese Verbrechen reichten über Stalin und sein Terrorregime hinaus weit zurück und besaßen (und besitzen immer noch) eine fatale Kontinuität in der Geschichte des Kommunismus.

Etwas von dieser prekären Ambivalenz, die unter der Prämisse des gerechten Kampfs gegen kapitalistischen Imperialismus, Unterdrückung und Ausbeutung über eigene Verbrechen hinwegsieht oder sie relativiert – der Zweck heiligt die Mittel – klingt auch in einigen der Gedichte dieses Zyklus an. Ich habe mich entschlossen, trotzdem alle Gedichte aufzunehmen, um diesen Widerspruch, der dem Zyklus innewohnt, nicht zu verstecken.

Konstantin Wecker sagt: „Meine Gedichte sind manchmal klüger als ich.“ Gilt dieses Diktum vielleicht auch für den großen Brecht? Sein Gedicht „An die Nachgeborenen“ schließt mit den Worten:

Dabei wissen wir doch:
Auch der Hass gegen die Niedrigkeit
verzerrt die Züge.
Auch der Zorn über das Unrecht
Macht die Stimme heiser. Ach, wir
Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit
Konnten selber nicht freundlich sein.
Ihr aber, wenn es so weit sein wird
Dass der Mensch dem Menschen ein Helfer ist
Gedenkt unserer
Mit Nachsicht.

Das will ich beherzigen.