Hermann Kasack

Hermann Robert Richard Eugen Kasack wurde am 10.1.1896 als einziges Kind des praktischen Arztes Richard Kasack und seiner Frau Elsbeth in Potsdam geboren. Er besuchte das humanistische Viktoria-Gymnasium in Potsdam, wo er im August 1914 ein Notabitur ablegte. Anfang September 1914 wurde er zum Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg eingezogen, aber bereits am 31. Oktober wegen eines Herzfehlers aus der Armee entlassen. Anschließend begann er ein Studium der Nationalökonomie und Literaturgeschichte in Berlin, das er 1920 in München abschloss. 1915 veröffentlichte er in der Zeitschrift „Die Aktion“ sein erstes Gedicht mit dem Titel „Mutter“. Kasacks erstes Buch, der Gedichtband „Der Mensch, Verse“erschien 1918. 1920 wurde er Lektor im Gustav-Kiepenheuer-Verlag in Potsdam. 1925 verließ er den Kiepenheuer-Verlag und wurde ständiger literarischer Mitarbeiter bei der Funk-Stunde Berlin, wo er unter anderem für die Programmgestaltung der ersten Dichterlesungen zeitgenössischer Lyriker verantwortlich war. 1926 wurde sein Drama „Die Schwester“ uraufgeführt und er wurde Direktor beim S. Fischer Verlag. In den folgenden Jahren arbeitete er als freier Schriftsteller und Rundfunkautor. Er veröffentlichte zahlreiche Gedichte und war für mehr als hundert Radiosendungen verantwortlich, darunter viele Porträts von Schriftstellern und zahlreiche Hörspiele, von denen nur wenige als Tondokumente erhalten sind. Als sein sozialkritisches Hörspiel „Der Ruf“ im März 1933 in einer nationalsozialistisch umgearbeiteten Fassung ausgestrahlt wurde (man hatte Ausschnitte einer Hitlerrede hineingeschnitten), protestierte er bei Arnolt Bronnen, dem von der NS-Führung eingesetzten neuen Literaturabteilungsleiter der Funk-Stunde, gegen die propagandistische Verfälschung seines Werks. Am 28. März 1933 wurde ihm daraufhin jegliche Mitarbeit am Rundfunk verboten.
Kasack zog sich ins Private zurück und prägte in seinem Tagebuch für sich selbst den Begriff eines „Emigranten im Innern“. Er publizierte anfangs nur noch vereinzelte Gedichte in verschiedenen Zeitschriften. 1934 besuchte er erstmals Hermann Hesse und unternahm in der Folgezeit ausgedehnte Italienreisen. Sodann beteiligte er sich an Projekten der Filmproduktionsfirma TOBIS, bis 1936/37 auch hier eine staatlich gelenkte Leitung eingesetzt wurde. Schließlich wurde er 1941 als Nachfolger seines verstorbenen Freundes Oskar Loerke Cheflektor im S. Fischer (später Suhrkamp) Verlag und behielt diese Tätigkeit bis 1949. In der Zeit von Peter Suhrkamps Verhaftung im Jahr 1944 übernahm Kasack die Verlagsleitung.
Nach dem Krieg arbeitete Kasack noch einmal für den Berliner Rundfunk, bis er 1949 nach Stuttgart umzog. 1947 erschien sein bekanntester Roman „Die Stadt hinter dem Strom“, geschrieben in den Jahren 1942–1944 (I–XII) und 1946 (XIII–XX) in Potsdam, für den er 1949 in Berlin den Fontane-Preis erhielt. Der Roman schildert eine kafkaeske Schattenwelt der Toten, die in der Nachkriegszeit als Sinnbild der totalitären Welt verstanden wurde. Ebenfalls 1947 hielt Kasack die Rede zum siebzigsten Geburtstag von Hermann Hesse im Charlottenburger Schloss in Berlin. 1948 wurde er Gründungsmitglied des Deutschen P.E.N.-Zentrums und Mitglied in der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz. Sein zweiter und letzter Roman „Das große Netz“ erschien 1952. Auch darin sowie in seinen Erzählungen „Der Webstuhl“ (1949) und „Fälschungen“ (1953) wandte er sich im Verständnis der zeitgenössischen Kritik und Leserschaft gleichnishaft gegen den Krieg und die Nazi-Herrschaft.
Von 1953 bis 1963 setzte er sich als Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung vor allem für die Veröffentlichung von vergessenen zeitgenössischen Autoren ein. 1955 wurde in Wiesbaden die Oper „Die Stadt hinter dem Strom uraufgeführt“, eine Vertonung seines gleichnamigen Romans durch Hans Vogt mit einem von Kasack selbst verfassten Libretto. Zu seinem sechzigsten Geburtstag 1956 erschien eine Sammlung seiner wichtigsten Essays und Reden aus drei Jahrzehnten als Geschenk des Suhrkamp Verlags.
1963 trat Kasack von seinem Amt als Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung zurück, nachdem er fast vollständig erblindet war. Kasack starb am 10.11966 in seiner Stuttgarter Wohnung. Im gleichen Jahr erschien bei Hoffmann und Campe sein vermutlich letzter Text: Jahr und Jahrgang 1896. Rückblick auf mein Leben.

Werke u.a.:

Lyrik
1918:  Der Mensch. Verse
1920:  Die Insel. Gedichte
1921:  Der Gesang des Jahres
1921:  Stadium. Eine GedichtReihe
1933:  Echo. Achtunddreißig Gedichte
1940:  Der Strom der Welt
1943:  Das ewige Dasein
1955  Aus dem chinesischen Bilderbuch. Mit Zeichnungen von Caspar Rudolf Neher1954
1961:  Antwort und Frage. 13 Gedichte
1964:  Wasserzeichen. Neue Gedichte
2010:  Hermann Kasack. (= Poesiealbum. 291).

Dramen
1920:  Die Schwester. Eine Tragödie in acht Stationen
1920:  Die tragische Sendung. Ein dramatisches Ereignis in zehn Szenen
1924:  Vincent. Schauspiel in fünf Akten
1954:  Die Stadt hinter dem Strom. Libretto der Oratorischen Oper in drei Akten

Hörspiele
1930:  Stimmen im Kampf. Berlin (Ursendung: 7. Dezember 1930)
    Nachproduktion des NDR 1959 unter dem Titel „Ballwechsel“ (Regie: Fritz Schröder-Jahn)
1932:  Tull, der Meisterspringer. Eine Serie von zehn Hörspielen für die Jugend
    (Zwei erhaltene Folgen: „Kinderreise mit Tull“ und „Tull's Kinderolympiade“)
1932: Eine Stimme von Tausend. Funkdichtung (Regie: Edlef Köppen, Ursendung 6.10.1932
1932: Der Ruf. Funkdichtung (Ursendung:12.12.1932)

Erzählungen
1919:  Die Heimsuchung. Eine Erzählung
1935:  Tull, der Meisterspringer
1944:  Das Birkenwäldchen
1949:  Der Webstuhl. Erzählung
1953:  Fälschungen. Erzählung
1963:  Das unbekannte Ziel. Ausgewählte Proben und Arbeiten
1966:  Jahr und Jahrgang 1896. Rückblick auf mein Leben

Romane
1932:  Alexander. Die Fragwürdigkeit des Lebens. (unveröffentlicht, Fragment)
1947:  Die Stadt hinter dem Strom
1952:  Das große Netz