Zwischen den Kriegen 1918 - 1945

In dieser kurzen Zeitspanne von nur 27 Jahren erleben Deutschland und mit ihm Europa eine unruhe- und unheilvolle Zeit, die, ausgehend von der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg, über den Versuch einer staatlichen Neubestimmung in den 15 Jahren der Weimarer Republik - durch die Machtergreifung Hitlers und der Nationalsozialisten 1933 jäh abgebrochen -, nach 12 weiteren Jahren zum völligen Zusammenbruch Deutschlands führt: sowohl politisch, durch die bedingungslose Kapitulation, den Verlust nationaler und territorialer Souveränität (Besetzung, Teilung und Gebietsabtrennung) als auch moralisch, durch den Bankrott als Kulturnation.

Auf den Untergang der Monarchie folgt 1919 die erste deutsche Demokratie, in der sich jedoch von Anfang an konservativ-restaurative und sozialistisch-revolutionäre Kräfte unversöhnlich gegenüberstehen. Die Geburtsstunde der Weimarer Republik steht unter keinem guten Stern. Dieser unaufgelöste Antagonismus wird die erste deutsche Republik überschatten, belasten und schließlich zerreißen. Nach kurzer Prosperität schlingert sie im Strudel der Weltwirtschaftskrise, schließlich liefern sich die demokratischen Kräfte mit dem Ermächtigungsgesetz quasi selbst der ersten deutschen Diktatur aus. Das an Schrecken schon zuvor nicht arme 20. Jahrhundert erfährt mit der Errichtung der Schreckensherrschaft der Nazis eine grausige Steigerung. Mit der öffentlichen Bücherverbrennung im Mai 1933 brennen bereits die ersten Scheiterhaufen als lodernde Menetekel . . .

Die Wechselfälle dieser historischen Entwicklung beeinflussen den politischen Diskurs in Deutschland, das Geistesleben und somit auch Literatur und Lyrik. Ab 1918 setzt unter dem Eindruck der Schrecken des Weltkriegs seine Verarbeitung in Literatur und Kunst wichtige Akzente. Kunst und Literatur politisieren sich zunehmend. In schonungslosen Darstellungen zeigen Künstler wie Grosz und Dix das Grauen des Kriegs sowie die Schattenseiten der Großstadt. In der Literatur entwickelt sich unter dem Begriff „Neue Sachlichkeit“ ein Stil und eine Haltung, die auf raffiniert 'sachliche' Weise die Oberfläche von Beziehungen und Gefühlen darstellt und gerade dadurch darunter liegende Quellen andeutet (Kästner, Kaléko). Im Theaterstil eines Piscator, in Gedichten und Stücken des „Stückeschreibers“ Brecht, in der Musik Weills werden in sprachlich-szenischer Radikalität die herrschenden Verhältnisse als Klassengegensätze begriffen, als veränderbar, als zu verändernde.

Mit der 'Machtergreifung' beginnt 1933 der 'Exodus': deutsche Wissenschaftler von Weltrang, deutsche Künstler - Maler, Dichter, Musiker, Schauspieler - verlassen in Scharen das Land, das viele von ihnen zutiefst lieben und das ihres 'Handwerkszeugs', der deutschen Sprache, wegen für die vertriebenen Dichter und Schauspieler doch unverzichtbar ist. Der größte Aderlass, den Deutschland je zu verkraften hatte und eigentlich nie verkraftet hat. Das Land der Dichter und Denker verkommt zum Land der Richter und Henker. In dieser Zeit entsteht ein bedeutender Teil der deutschen Literatur und Lyrik im Exil. Einige Autoren klammern sich an ihre angestammte Heimat, gehen in die 'innere Emigration' (Kästner, Kaschnitz), einige fliehen im letzten Augenblick (Kaléko, Lasker-Schüler, Sachs), einige suchen den Freitod (Zweig, Tucholsky, Amery), und nicht wenige führt der Weg ins KZ (Ossietzky, Amery, Kolmar, Meerbaum-Eisinger). Die Namen stehen, ohne damit eine Rangzuweisung zu verbinden, stellvertretend für viele Ungenannte. Andere beziehen zumindest zu Beginn eine unklare, undurchsichtig-opportunistische Position zum 'Dritten Reich' (Benn, Jünger, Heidegger, Holthusen). Die Rolle, die manche der letzteren dann im Kulturbetrieb der Nachkriegszeit spielten, spielen durften, gehört zum Phänomen individueller wie kollektiver Verdrängung der Vergangenheit in den 'Gründerjahren' der BRD unter Adenauer.